Früher, da war die Welt noch in Ordnung. Bis Mitte der 1990er Jahre war es üblich, unter Freunden und Bekannten Kassetten und Disketten mit Musik, Filmen und Games zu tauschen. Zuhause wurden diese dann kopiert oder zu Mixtapes mit den „besten“ Songs zusammengeschnitten. Ende der 90er kam dann die Ablösung in Form des CD-Brenners. Damit konnte man ganze Musik- und Spielesammlungen auf eine Scheibe packen und mit Kollegen teilen.
Dann wurde das Internet für den Privatgebrauch erschwinglich. Dadurch wurde das Tauschen von Daten aller Art noch einfacher, sogar mit Personen die man gar nicht persönlich kannte.
Das Kopieren und Tauschen zu Tape- und CD-Zeiten wurde, vermutlich auch dank den Abgaben auf Leermedien, zähneknirschend toleriert. Mit der Proliferation der CD- und DVD-Brenner und spätestens mit der Verfügbarkeit von Flatrates und Breitbandinternet drehte sich der Wind. Bei den Computerspielen wurden immer aufwändigere Kopier- und Lizenzschutz-Mechanismen eingeführt. Auf den Musik-CDs prangten plötzlich grosse Warnhinweise über die rechtlichen Konsequenzen von sogenanntem „Raubkopieren“. Und Film-DVDs wurden mit nicht zu überspringenden Warnhinweisen und Propagandafilmen gegen „Piraterie“ versehen. Gleichzeitig eröffnete das Internet uns Konsumenten neue Welten an Audio, Video und Software. Von denen hatten wir bisher nichts gehört, weil diese nie den hiesigen Markt erreichten oder in anderen Ländern lange vorher schon verfügbar waren.
Die erste TV-Serie, welche ich im Internet heruntergeladen habe, war Futurama. Als Simpsons-Fan war ich natürlich sehr gespannt auf Matt Groenings neustes Werk. Doch die Serie wurde erst in den USA ausgestrahlt. Es konnte noch Monate dauern, bis sie auch das Deutsche TV erreichte. Vor dem Internet hätte ich einfach nichts davon erfahren. Jetzt merkte ich den Deutschen Übersetzungen an, wie viele Anspielungen und Wortspiele nicht oder nur leidlich übersetzt worden waren. Fans im Netz erstellten in Fleissarbeit Transkripte der englischen und deutschen Folgen und es wurde über die Bedeutung jeder kleinsten Anspielung diskutiert. Später habe ich mir die DVDs der Serie gekauft.
Es stimmt nicht, dass das vereinfachte Tauschen von Musik durchs Internet uns automatisch zu schlechteren Konsumenten macht. Im Gegenteil, wir sind informierter und haben eine grössere Auswahl zur Verfügung. Und wer sich sehr für seine Musik, seine Filme, Serien oder Spiele begeistert, wird mit Vergnügen auch Geld dafür ausgeben. Wer viel im Internet herunterlädt, gibt auch viel Geld für Medien aus. Das belegen auch diverse Studien:
- P2P Music-Sharing Networks: Why Legal Fight Against Copiers May be Inefficient?, Rochelandet/Le Guel, Frankreich, 2005
- The Impact of Music Downloads and P2P File-Sharing on the Purchase of Music: A Study for Industry Canada, Kanada, 2007
- Ups and downs, die Niederlande, 2009
- Study finds pirates 10 times more likely to buy music, Guardian, Norwegen, 2009
- The Effect of File Sharing on Record Sales: An Empirical Analysis, Oberholzer-Gee/Strumpf, USA, 2012
Dieser Artikel ist ursprünglich im Future of Music Blog erschienen. Nutzt die einmalige Gelegenheit, einmal direkt mit Musikschaffenden diskutieren zu können und postet Kommentare wenn möglich dort. Dies ist als Archivkopie gedacht.