Mitten im Stadtgebiet von Assuan liegen die Überreste eines Steinbruchs für Rosengranit, aus dem viele verschiedene Bausteine, Obelisken (wie z.B. derjenige von Hatschepsut im Tempel von Karnak), Altarsteine, Skulpturen (beispielsweise die Falken-Statuen im Tempel von Edfu) und anderes mehr stammen.
Man findet dort auch noch einen nicht mehr fertiggestellten Obelisken, welcher grösser als alle vorhergehenden geworden wäre. Wäre, denn zum Unglück der alten Baumeister tauchte ein Riss im Fels auf, weshalb die Arbeiten an dem steinernen Koloss eingestellt wurden. Ihr Pech ist ein Glücksfall für die Archäologie, da wir so ein Werkstück in einem Zwischenstadium vor uns finden und man daran viel über die Vorgehensweise der damaligen Arbeiter ablesen kann.
Man kann sich heute nur darüber wundern, mit welchen Tricks es den Ägyptern damals gelungen wäre, den gewaltigen Monolithen hinunter zum Nil zu transportieren und an seinen Zielort zu verschiffen. Man schätzt sein Endgewicht auf ca. 1168 Tonnen.
Nachdem wir uns auf nicht ganz so mühselige Art selbst zurück zum Fluss begeben haben, setzt uns ein Motorbootsfahrer über zur Nilinsel Agilkia. Einst stand der hiesige Tempel auf der Insel Philae. Nach dem Bau der ersten Staumauer Assuans durch die Briten anfangs des 20. Jahrhunderts wurde die Anlage jedoch fast ganzjährig überflutet. Im Zuge des Baus des Hochdamms hat man dann auch diesen Tempel aus den Fluten gerettet und auf der nahe gelegenen Insel Agilkia neu aufgebaut.
Im Osiris-Mythos wird dieser Gott durch seinen Bruder Seth durch einen Trick ermordet, indem dieser ihn durch eine Wette an einem Fest dazu bringt sich in einen Holzkasten zu legen. Dieser wird eilig von Seth’s Helfershelfern zugenagelt und von Seth in den Nil geworfen. Osiris ist jedoch der Gott der Fruchtbarkeit und so erwacht er wieder zum Leben, kaum dass ihn seine Gattin Isis findet und aus der Kiste befreit.
Seth unternimmt aber einen zweiten Tötungsversuch und macht dieses Mal keine halben Sachen. Osiris wird von ihm in 14 Teile zerhackt und diese werden über das ganze Land verteilt. Auf der Philae-Insel soll Isis damals das Herz‘ Osiris gefunden haben. Sie soll auf einem Felsen gesessen sein und habe bitterlich geweint. Durch Ihre Tränen soll der Nil entstanden sein. Schliesslich konnte sie alle Teile finden und Osiris wiederbeleben, nachdem sie diese zusammengefügt hatte. Osiris ist damit sozusagen das altägyptische Äquivalent zu Frankensteins Monster.
Auf jeden Fall hatte Osiris nach all dem die Nase voll von der Welt der Lebenden und zog sich in die Unterwelt zurück, wo er seitdem glücklich in der Nachtsonne lebt und die Pharaonen die das Totengericht überstehen in Empfang nimmt.
Der Felsen auf dem Isis gesessen haben soll wurde in die Front des Tempels integriert. Daneben, gleich neben der Treppe zum Säulengang ist ein Haufen kugeliger Steine zu sehen. Dies sollen Isis versteinerte Tränen sein.
Der Tempel selbst ist, nach dieser Vorgeschichte wenig verwunderlich, vor allem Isis, aber auch ihrem und Osiris Sohn Horus in seiner Kindsform gewidmet. Durch den begrenzten Platz auf der Insel wurde der Tempel mit einer geknickten Achse gebaut. Der öffentliche Vorhof steht in einem Winkel zur Säulenhalle.
Fun fact: Der Lander der Raumsonde Rosetta, welcher anfangs des Jahres auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko landete, ist nach dieser Insel benannt. Rosetta selbst natürlich nach der gleichnamigen Stadt im Norden Ägyptens. An beiden Orten wurden wichtige Hinweise gefunden, die schliesslich zur Entschlüsselung der Hieroglyphen führten.